Fremder Tadel
Erst etwas ganz Seltsames: Ich werde im Einkaufszentrum ausgerufen. Also nicht ich, sondern der „Fahrer des Fahrzeugs F-...“ Ein Fahrer ist nicht in Sicht, aber es handelt sich eindeutig um mein Fahrzeug, uijuijui, was da wohl passiert ist. Ich begebe mich eiligst zum Parkplatz, zum Glück habe ich nicht vergessen, wo es steht. Wohl aber habe ich vergessen, das Beifahrerfenster zu schließen, bzw., gar nicht gemerkt, dass ich es bei irgendeiner Gelegenheit versehentlich geöffnet habe. Ein aufmerksamer ostdeutscher Mitbürger hat das aber sehr wohl bemerkt. Und mich ausrufen lassen. Zum „Dankeschön“ und „uijuijui“ sagen komme ich aber nicht. Denn ich werde gleich heftigst angegangen. „Es ist nicht zu fassen, wie leichtsinnig manche Leute sind“, tobt er fast. Ich werde heftigst getadelt und habe auf den Kerl schon keine Lust mehr. „So ein Leichtsinn, und das in den heutigen Zeiten.“ Kürzlich habe doch sogar einer seine Geldbörse auf dem Autodach gelassen: „Ich lass die alle ausrufen“, sagt er streng, da ist keine Nettigkeit dabei, sondern ein griesgrämiger Erzieher am Werk. Aus Versehen habe ich mich jetzt schon tausend Mal bedankt – aber das lässt seinen Redefluß nur noch schäumender werden.
Nachdem das überstanden ist, bin ich etwas später im Buchladen, und finde zum Glück Mister Aufziehvogel von Murakami. Genau das Begehrte, nachdem Kafka am Strand ausgelesen ist. Nach dem Zahlen wünscht mir die Kassiererin „eine schöne Zeit in Japan“. Ich sage smalltalkmäßig, die werde ich wohl hoffentlich haben. Sie wird ganz ernst und sagt: “Naja, Sie haben ja nicht gerade wenig für ein Taschenbuch ausgegeben. 12 Euro 90, da muss es sich schon lohnen.“ Werde ich der Prasserei verdächtigt? Erst vor wenigen Tagen hat mich im Karstadt die Verkäuferin engagiert vom Kauf sehr schöner Badeschlappen abgehalten, die seien erstens für Männer und zweitens doch sehr hochpreisig (20 Euro) – und mir dann, mit Erfolg übrigens, dringend den Erwerb des Sonderangebots für 3 Euro ans Herz gelegt – wenn’s nur fürs Bad ist, reicht das doch“. Sehe ich mittlerweile verarmt aus? Eine Armee von Schuldnerberatern ist schon bestellt? Oder ist das der endgültige Selbstzerstörungstrieb der ostdeutschen Konjunktur?
Also viele, viele Tadel muss ich einstecken, aber immer für überraschende Dinge, nicht für das, wofür ich mich selbst tadeln würde. Dass ich immer noch rauche, immer mehr in die Breite gehe, das Gegenprogramm „Schwimmen gehen“ habe ausfallen lassen, trotz des Besitzes von Schlappen für 3 Euro, die für nichts anderes geeignet sind. Dass ich tranig bin und überhaupt. Nein, die Erziehungsmaßnahmen greifen an anderer Stelle an; die Welt spricht mit mir in einer fremden Sprache.
Nachdem das überstanden ist, bin ich etwas später im Buchladen, und finde zum Glück Mister Aufziehvogel von Murakami. Genau das Begehrte, nachdem Kafka am Strand ausgelesen ist. Nach dem Zahlen wünscht mir die Kassiererin „eine schöne Zeit in Japan“. Ich sage smalltalkmäßig, die werde ich wohl hoffentlich haben. Sie wird ganz ernst und sagt: “Naja, Sie haben ja nicht gerade wenig für ein Taschenbuch ausgegeben. 12 Euro 90, da muss es sich schon lohnen.“ Werde ich der Prasserei verdächtigt? Erst vor wenigen Tagen hat mich im Karstadt die Verkäuferin engagiert vom Kauf sehr schöner Badeschlappen abgehalten, die seien erstens für Männer und zweitens doch sehr hochpreisig (20 Euro) – und mir dann, mit Erfolg übrigens, dringend den Erwerb des Sonderangebots für 3 Euro ans Herz gelegt – wenn’s nur fürs Bad ist, reicht das doch“. Sehe ich mittlerweile verarmt aus? Eine Armee von Schuldnerberatern ist schon bestellt? Oder ist das der endgültige Selbstzerstörungstrieb der ostdeutschen Konjunktur?
Also viele, viele Tadel muss ich einstecken, aber immer für überraschende Dinge, nicht für das, wofür ich mich selbst tadeln würde. Dass ich immer noch rauche, immer mehr in die Breite gehe, das Gegenprogramm „Schwimmen gehen“ habe ausfallen lassen, trotz des Besitzes von Schlappen für 3 Euro, die für nichts anderes geeignet sind. Dass ich tranig bin und überhaupt. Nein, die Erziehungsmaßnahmen greifen an anderer Stelle an; die Welt spricht mit mir in einer fremden Sprache.
wasserfrau - 27. Apr, 20:51
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rosmarin - 27. Apr, 22:51
igittigitt..... bäh.... lass dich bloss nicht anstecken von dem fiesen trübsinn.... wenigstens hast du noch dein F- am auto :-D
wasserfrau - 27. Apr, 23:29
Das "F" bleibt, da kommt mir kein "O" davor und eben auch kein "E".Manchmal habe ich aber das Gefühl, das "F" provoziert sie richtig, die ostdeutschen Mitbürger.
Nein anstecken lasse ich mich nicht, ich leide eher still und kummervoll in mich hinein. Ich hatte mir immer vorgenommen, nicht in das Geläster über die Ostdeutschen einzustimmen, sondern formvollendet interkulturell-tolerant-kommunikativ-verstehend mit den anderen Menschen umzugehen. Naja, aber irgendwie nutzt es ja nichts, die anderen akzeptieren zu wollen, wenn die es nicht tun.
Es gibt hier einfach autoritäre Säcke. Und die leben es so richtig aus. Und da ist es mit der Toleranz ja dann auch vorbei.
Das "F" bleibt für bessere Zeiten, es steht für "frei". "EF" hieße dann wohl nur: "einstmals frei".
Nein anstecken lasse ich mich nicht, ich leide eher still und kummervoll in mich hinein. Ich hatte mir immer vorgenommen, nicht in das Geläster über die Ostdeutschen einzustimmen, sondern formvollendet interkulturell-tolerant-kommunikativ-verstehend mit den anderen Menschen umzugehen. Naja, aber irgendwie nutzt es ja nichts, die anderen akzeptieren zu wollen, wenn die es nicht tun.
Es gibt hier einfach autoritäre Säcke. Und die leben es so richtig aus. Und da ist es mit der Toleranz ja dann auch vorbei.
Das "F" bleibt für bessere Zeiten, es steht für "frei". "EF" hieße dann wohl nur: "einstmals frei".
rosmarin - 1. Mai, 23:35
by the way... muss ich irgendwann in den nächsten zwei bis drei monaten nach jena....
wasserfrau - 1. Mai, 23:49
Jena ist insofern recht eigentlich akzeptabel, als es von einer quicklebendigen Uni bestimmt wird: Ergo gibt es nette Kneipen und internationale Kultur und viele junge Menschen aus aller Herren Länder. (Sind ja meistens Herrenländer, kann man nix machen, jedenfalls nicht sofort.) Vieles ist hier ja auch ganz okay, insbesondere die Landschaft, teilweise wunderherrlich. Aber halt nix für immer und auch nix im Winter. Und ich habe hier gemerkt, dass ich definitv Großstädterin bin.
rosmarin - 1. Mai, 23:56
grins.... das hamse jetzt aber nett missverstanden. ich pilgere seit jahren regelmässig nach jena und mag dieses städtchen auch. ich dachte, wenn ich jena ansteuere, muss ich an EF vorbei.... :-D
wasserfrau - 2. Mai, 11:14
das ging mir ja auch durch den Kopf ... um es dann doch im kontextuellen Gesamtgejammer irgendwie anders zu verstehen. Dann, bverehrte gnädige Frau, werden sie vielleicht in Erfurt gar eine Station machen können?
rosmarin - 2. Mai, 16:35
ganz böstömmt
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